Lisa von Ortenberg
(formerly Lisa Stocker)
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Wie man in Hongkong "Ja" sagt

4/23/2013

 
(Geschrieben fuer die Rubrik EINBLICKE in BRIGITTE WOMAN)

An manchen Tagen läuft man durch Hongkong und denkt, die Insel sei die Welthauptstadt der Hochzeitsindustrie. Überall posieren Paare für riesige Fotografenteams. Umarmen sich auf Kopfsteinstrassen oder vor den wenigen alten Kolonialgebäuden, die noch stehen. Die Prinzessinnenkleider der Frauen erinnern mich immer an ihre eigenen Hochzeitstorten. Und dass die Männer zu ihren weißen Smokings gern Sneakers tragen, ist auch etwas gewoehnungs bedürftig. Aber es ist eine irre Show, immer wieder. Obwohl auch in China die Heiratsstatistiken kontinuierlich nach unten gehen,  sind es doch immer noch geschätzt 10 Millionen Paare pro Jahr, die sich trauen. Und dabei so richtig bluten müssen: 25.000 Euro kostet eine Hongkonger Hochzeit im Durchschnitt, allein für das Hochzeitsbankett rechnet man 15.000 Euro. Bis zu 500 Gäste sind Standard. Wir hatten eben die Ehre, so einem Event im großen Stil beizuwohnen. Ashton und Jennifer, ein hübsches junges Anwaltspaar, bat zu seinem Hochzeitsbankett im elitären Hongkong Club. Der Hongkong Club, von außen ein unscheinbares Hochhaus in bester Innenstadtlage, ist normalerweise den Tycoons und Wirtschaftseliten vorbehalten. Als normaler Mensch kommt man kaum rein. Außer man stammt aus bestem Hause – wie unser Brautpaar, das sich über die Wahl der richtigen „Location“ sichtlich Gedanken gemacht hat. Je exklusiver der Austragungsort, umso höher das Ansehen in der Gesellschaft... Er ist der Sohn eines Anwaltskollegen meines Mannes. Wie kennen ihn flüchtig, die Braut haben wir noch nie gesehen. Macht aber nichts. Denn Chinesen laden gern alle ein, von denen sie nur die Emailadresse besitzen. In Ashtons Fall sind 400 Gäste  zusammen gekommen. Da der Bankettsaal des Clubs aber nur 200 Personen bewirten kann, feierte das Paar an zwei Abenden hintereinander seine Hochzeitsshow. Wir waren am ersten Abend dabei – und kamen zu früh, weil auf der Einladungskarte „Rezeption 18.00“ gestanden hatte. Doch vom Brautpaar oder den anderen Gästen war nichts zu sehen. Die erste Stunde ist fürs Umziehen und Aufpudern des Make-ups reserviert. Immerhin, Ashtons Vater war bereits eingetroffen und führte uns zu den Fotoalben, die neben der Bühne bereit lagen. Die Bühne war eine rosa Tüllorgie, die den Thronsaal eines Märchenschlosses nachstellen sollte. Auch die Fotos waren Kitsch vom Feinsten. Ashton und Jennifer in Weiß am Strand; sie im roten Abendkleid beim verliebten Dinner in einem französischen Dorfrestaurant vor der Stadt, oder beide in Traumtänzerpose im Ballsaal eines Luxushotels. Es gab sogar Fotos von einer Kirche. Ob sie denn religiös seien? Nein. Aber man könne die „bescheidene Atmosphäre“ des Hongkonger Standesamts umgehen, indem man eine freie Kirche mietet und dort einen Anwalt zur Unterschrift hinschickt. Genau das hatten sie am Nachmittag gemacht. Es gab Mendelssohns Hochzeitmarsch und viele Tränen. Der Mann sah sehr zufrieden aus mit seinem Coup.

Dann kam das glückliche Paar. Wir gratulierten. Und schon wurden wir auf die Bühne bugsiert, um uns mit dem Brautpaar ablichten zu lassen. Die anderen 198 Gäste reihten sich nach uns auf. Der Bräutigam war etwas blass um die Nase. Sein Tag hatte um sechs Uhr begonnen. Um sieben waren seine Freunde gekommen – alle im Smoking – die sich eine Reihe Jungsstreiche für ihn ausgedacht hatten. Unter anderem musste er erst das Hochzeitsauto finden. Damit konnte er seine Braut aus ihrem Elternhaus abholen – von wo sie in Kolonne zum ersten Höhepunkt des Tages aufbrachen: Die Frau hat ihren neuen Schwiegereltern in chinesischem Festgewand Tee zu servieren – und erhält dafür Geschmeide oder Schmuck. In früheren Tagen war das ein intimer Moment, mit dem die Braut in die Familie aufgenommen wurde. Aber Jennifer bekam eine goldene Rolex und eine dicke Perlenkette. „Und damit die anderen Angehörigen das auch sehen, haben wir gleich die ganze Familie in den Criquet Club eingeladen“, grinste der Vater des Bräutigams. 

Der ungewohnte Alkohol hatte seine Zunge gelöst und so bekam ich jede Menge Insiderinformationen. Dass Ashton für das Hochzeitsbankett aufkommen muss – weshalb man statt Geschenken lieber einen Umschlag abgeben soll. Dass der Brautkuchen neben der Bühne nur eine Pappattrappe fürs Fotos war, die aber auch schon 300 Euro kostet. Der echte Kuchen hätte 1000 Euro gekostet! Ja, die Hochzeitsindustrie macht eine Menge Umsatz in diesem Land. Als ich selbst vor drei Jahren mal auf der Suche nach einem Hochzeitskleid war, ging ich rückwärts wieder aus der Vera Wang Boutique raus. Dort verlangte man allein fürs Anprobieren einer Robe schon 200 Euro. Jennifer hatte offenbar weniger Probleme damit, ein Vermögen hinzulegen. Immerhin zog sie sich während des Dinners noch zweimal um –einmal silbern, einmal rot –macht inklusive Teekleid vier Roben. Zum Essen kam das arme Mädchen nicht. Zuerst hielten die beiden Väter eine Rede, indem sie ihren Kindern dankten, so gute Kinder zu sein. Dann mussten die Jungvermählten auf die Bühne und ihren Eltern für das gute Vorbild danken, das sie ihnen als Eheleute und Eltern gegeben hätten. Ashtons Väter erwiderte, er denke, sein Sohn könne es noch besser machen, weil seine Frau eine resolute „Tigermum“ gewesen sei, die schöne Schwiegertochter hingegen eine sanfte Katze. Dass er wohl nicht ganz unrecht hatte, konnte man ahnen, wenn man sah, wie die Tigerfrau den Gästen ihre roten Geldumschläge aus der Hand riss und in ihre überdimensionierte Handtasche stopfte.


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