Fast Fashion als Klimakiller

Lisa von Ortenberg

Eine faire Produktionskette wünschen sich viele Menschen beim Mode-Einkauf. Nur wer gut informiert ist, lässt sich sich dabei nicht täuschen von den billigen Maschen der Fast-Fashion-Industrie, die gekonnt mit Worten jonglieren, um nachhaltig zu wirken. Aber mal ehrlich: Wie soll auch ein Top für 4,99 Euro nachhaltig sein? Slow Fashion, zu deutsch langsame Mode, ist das Gegenteil von Fast Fashion und meint, den Einsatz von Primärrohstoffen durch Recycling statt Entsorgung zu reduzieren, den Lebenszyklus von Kleidung durch längeres Tragen, umnähen, weitergeben zu verlängern, sowie die Produktionsbedingungen für Mensch und Umwelt zu verbessern. Ziel ist es, die Natur in Rohstoffabbaugebieten zu entlasten, Menschen einen fairen Arbeitslohn zu bieten und sie weniger mit Chemikalien und Rauch zu gefährden.

 


Hi Lisa, du hast vor kurzem deinen Laden am Hauptplatz in Pfaffenhofen eröffnet. Das ist nicht dein erster Store. Wo warst du vorher?

Meine Laufbahn als Mode-Macherin begann in Hongkong, wo ich nach vielen Jahren als Journalistin 2018 angefangen habe, Mode zu entwerfen und von einem kleinen Atelier fertigen zu lassen. Jeden Monat habe ich dann einen Pop Up Store organisiert, wo ich für acht bis zehn Tage meine neuesten Kreationen ‚an die Frauen‘ gebracht habe. Ich war dort immer Vollzeit präsent, habe die Kundinnen live erlebt, und konnte genau auf ihre Wünsche eingehen. Es war eine anstrengende, aber unglaublich kreative Zeit – wir haben sogar Brautkleider gemacht… bis Corona kam. Damit war das Geschäft tot und ich bin wieder in meine Heimat Pfaffenhofen gezogen. Hier habe ich das Label nun erst mal neu aufgestellt und nebenbei im vergangenen Jahr einen beliebten Mode-Flohmarkt in der Stocker-Halle etabliert. Wer mitmachen möchte, darf sich gerne melden, der nächste ist am 29. April.

Deine Kleider unterscheiden sich von denen anderer Mode-Boutiquen. Was ist dein Konzept?

Mein Laden im 200 Jahre alten Bergmeister-Anwesen ist wirklich keine ganz ‚normale‘ Boutique, sondern eher ein interaktiver Modesalon. Ich glaube, das merkt man schon beim Reinkommen. Ich habe keine Stapelware in Regalen, sondern da hängen viele Unikate und Teile, die ich in kleinsten Stückzahlen herstellen lasse. Wenn es nicht genau passt, kann meine Schneiderin vor Ort die Sachen auch enger, kleiner oder weiter machen. Außerdem können wir auch persönliche Lieblingskleider für die Kundinnen herstellen. In meinem antiken Hochzeitsschrank aus Hongkong verstecken sich dafür besondere Stoffe, und falls da nichts dabei ist, gehe ich auf die Suche nach den Lieblingsfarben. Jede Frau kennt ja ihren Körper am besten und weiß, was ihr steht. Das berücksichtige ich gerne. Somit können wir jede Größe bedienen und müssen niemanden ausschließen. Außerdem gibt es neben der aktuellen LvO-Kollektion einige Stangen voller bestens erhaltener Second-Hand-Mode – pre-loved wie man heute so schön sagt, aber immer noch sehr cool. Änderungen und Upcycling-Sachen machen wir auch gerne. Im Sinne der Nachhaltigkeit ist es natürlich das Beste, gar nichts Neues zu kaufen, sondern mit den vorhandenen Ressourcen zu arbeiten. So habe ich kürzlich aus einem leicht kitschigen, aber hervorragend erhaltenen Abendkleid aus den 80er Jahren einen weiten, langen Statement-Rock gemacht. Das Muster war einfach zu schön.

Ist deine gesamte Produktionskette fair oder wo siehst du noch Möglichkeiten, deine Idee zu verbessern?

Meine Herkunftsketten sind absolut fair und transparent. Genau wie früher entsteht meine Kollektion zum Teil auch heute wieder im Umkreis von 50 Kilometern bei befreundeten Schneiderinnen in bayerischen Ateliers, also lokal. Ferner arbeitet meine Hongkonger Meisterschneiderin immer noch für mich – das ist das einzige Manko, das ich sehe, dass wir ihre Modeteile noch einfliegen müssen. Aber mit dieser Frau bin ich einfach so vertraut und über sie komme ich auch noch an unglaublich tolle Seidenstoffe aus China. Natürlich sind alle meine Materialien fair, wobei ich Seide, Wolle und Viskose am liebsten mag. Für die in Bayern gefertigte Kollektion beziehe ich sie gerne aus Frankreich, wo ich besondere Stoffe aus den Vorsaisonen der großen Haute-Couture-Häuser aufkaufe (sogenannte ‚Dead Stock‘- Materialien, die andererseits verbrannt oder entsorgt würden). Und die für mich produzierte Viskose kommt von einem 200 Jahre alten, mehrfach ausgezeichneten Familienbetrieb hinter Lyon. Man darf sich ja nichts vormachen: Nachhaltig bedeutet nicht immer nachhaltig. Wenn man Klamotten aus alten Plastikflaschen produziert, klingt das erst mal toll, aber man kann die Produkte trotzdem nicht abbauen. Also eigentlich ist das Quatsch. 2020 habe ich mal mit recyceltem Polyester gearbeitet, aber da es auch nicht wirklich abbaubar ist, habe ich dieses Experiment ganz schnell wieder beendet.

Slow Fashion sollte eigentlich das normalste der Welt sein. Wie konnte es überhaupt soweit kommen, dass Designer ihre Kollektionen in den letzten Jahren vervielfacht haben, Mode von Saison zu Saison  schnelllebiger wird, Müllberge von Kleidern verbrannt werden und ohne Rücksicht auf Mensch und Umwelt fröhlich weiter produziert wird?

Stimmt, früher sind die Leute einmal im Jahr zum Schneider gegangen. Heute dreht sich das Mode-Karussell dank Instagram und Tik Tok immer schneller. Manche dummen ‚Fashionistas‘ wollen auf Fotos nur neue Mode anhaben. Und die wird dank einem chinesischen Giganten immer billiger. Wir sprechen mittlerweile von der Ultra-Fast-Fashion. Ständig werden neue Modelle auf den Markt geworfen – mit dramatischen Folgen: Was sich nicht verkauft, wird einfach in die Wüste gebracht, wo die Modemüllberge als Monument unserer Eitelkeit auf ewig vor sich hinrotten. In einem Greenpeace-Report wurde auch dargelegt, dass Produkte der Firma Shein hochgiftige Schwermetalle enthalten. Das ist totaler Irrsinn. Wer diese Billigware kauft, macht sich ja auch mitschuldig am Elend ausgebeuteter ArbeiterInnen, die wie Roboter nähen müssen und manchmal nur einen Tag im Monat frei haben.

Kann sich in einer kapitalistischen Welt Slow Fashion überhaupt durchsetzen?

Ich glaube, dass mittlerweile schon ein Umdenken einsetzt. Man muss den Leuten halt immer wieder erklären, welche Folgen ihr fröhliches Fast-Fashion-Shopping langfristig für die Umwelt hat. Die Mode mag zwar billig sein – aber am Ende zahlen wir oder unsere Kinder einen hohen Preis. Vor allem die Jeansproduktion mit ihrem unglaublichen Wasserverbrauch sollte man dringend drosseln. Ich kaufe mittlerweile Jeans nur noch gebraucht.

Was muss passieren, damit auch große Modeketten ausschließlich unter fairen Arbeitsbedingungen Mode herstellen?

Bei einigen Großkonzernen hat nach diversen Shit-Storms schon ein gewisses Umdenken eingesetzt. Die Produktion wurde schon fairer. Dennoch sind die Marktführer natürlich immer auf Maximierung aus. Sie werden niemals ihre Kollektionen pro Jahr zurückschrauben. Die Ressourcen von Mutter Erde werden also weiterhin ausgebeutet.

Warum glaubst du, entscheiden sich Boutiquen, die bereits hochpreisige Marken im Sortiment haben und dementsprechend auch zahlende Kundschaft, trotzdem gegen Slow-Fashion-Labels? Fehlt das Bewusstsein? Ist die Auswahl zu gering? Ist der Konsument zu verwöhnt?

Es gibt tatsächlich nur wenige Slow Fashion Labels, die wirklich auch extravagante Mode produzieren. Aber es gibt sie, die Einkäufer müssten nur suchen. Im Kampf um die Aufmerksamkeit der KundInnen will man aber nichts falsch machen und kauft im Zweifel auf der Messe doch wieder vom größeren Anbieter, der schon eingeführt ist. Und ja, auch auf Kundenseite wäre mehr Neugier gut: Ich habe das selbst schon erlebt, dass Leute, die das nötige Kleingeld haben, doch lieber zu den berühmten großen Marken greifen, weil sie sich vermeintlich damit auch deren Status erkaufen. Was ein Trugschluss ist…

Du hast auch andere Designer aus der Umgebung bei dir im Laden. Was war dir dabei wichtig? Sind auch Slow-Fashion-Brands mit dabei?

Da ich weiß, wie schwierig es ist, die Aufmerksamkeit der Kunden zu bekommen, lade ich gerne auch andere Modedesignerinnen in meine Boutique ein, die alle ähnlich in kleinen Stückzahlen, super slow und mit transparenten Lieferketten bzw. selbst produzieren. Das ergänzt mein Angebot. Ich will einfach zeigen, dass man auch in der Provinz tolle Alternativen zur Fast Fashion kreieren kann. Diese Kolleginnen stelle ich einmal im Monat im Rahmen eines Events in der Boutique vor – das macht den Kunden und mir Spaß, denn dabei lernen wir ja auch die Arbeit der anderen besser kennen. Ich glaube, wenn die Kunden sehen, mit wie viel Herzblut wir arbeiten, fällt es leichter, sich für nachhaltig gefertigte Mode und Schmuck zu begeistern. Als nächstes begrüßen wir die liebe Modedesignerin Johanna Beitinger aus München zu einer ‚Modesprechstunde‘ am 3. März im Laden.

Hast du Tipps welche Kleidungsstücke sich in jedem Kleidungsschrank gut machen und einfach zu kombinieren sind? Worauf sollte man lieber verzichten?

Ich halte gar nichts davon, in bestimmte Modefarben zu investieren, nur weil die gerade ‚in‘ sind. Viel wichtiger ist es, die für mich besten Farben zu finden. Was jedem Kleiderschrank gut tut? Ich empfehle immer eine gute, helle Seidenbluse, ein Statement-T-shirt, einen coolen Blazer (in meinem Fall oft aus Samt und gerne länger) – den man idealerweise noch mit Hose zum Anzug ergänzen kann. Und im Sommer brauche ich zwei leichte, fließende Sommerkleider in leuchtenden Farben – eines im Boho Stil, eines taillierter und kürzer geschnitten. Dazu eine weite Palazzo-Hose aus Seide, die trägt einen im Sommer durch den ganzen Tag. Alles, was aus Polyester ist, lieber vermeiden. Um es mit Vivienne Westwood zu sagen: ‚Buy less, choose well, make it last!‘ (Kaufe wenig, wähle mit Verstand, erhalte es!) Damit kommt man schon ziemlich weit nach oben in den Modehimmel.

Quelle: Espresso Magazin

×